Gebäude sind steuerlich mit gesetzlichen Abschreibungssätzen abzuschreiben. Diese liegen je nach Art und Nutzung der jeweiligen Immobilie zwischen zwei und drei Prozent pro Jahr. Allerdings ermöglicht das Gesetz in Ausnahmefällen auch eine höhere AfA (Absetzung für Abnutzung). Das ist möglich, wenn Eigentümer nachweisen können, dass das Gebäude tatsächlich weniger als die typisierte Nutzungsdauer von 50, 40 oder 33,3 Jahren nutzbar ist. Die Verwaltung hing beim Nachweis die Messlatte bisher immer sehr hoch, bis der Bundesfinanzhof (BFH) in seinem Urteil vom 28. Juli 2021 (IX R 25/19) die Anforderungen an den Nachweis herunterschraubte. Der BFH sah es als nicht erforderlich an, dass ein Bausubstanzgutachten vorzulegen ist.
Was genau hat sich im Gesetz geändert?
Der Gesetzgeber hat zwar die Abschreibung bei Wohnimmobilien zum 1. Januar 2023 von zwei auf drei Prozent erhöht. Diese Änderung gilt jedoch nur für Immobilien, die nach dem 31. Dezember 2022 fertiggestellt wurden. Wer also eine „gebrauchte“ Wohnung kauft, kommt nicht in den Genuss der um 50 Prozent höheren Abschreibung, sondern muss sich mit jährlich zwei Prozent begnügen. Eine höhere Abschreibung gibt es nur, wenn Eigentümer mit einem Gutachten die verkürzte Lebensdauer darstellen können.
Was muss denn in dem Gutachten stehen?
Der BFH hat die Anforderungen relativ abstrakt und wenig konkret formuliert. Laut BFH gilt:
- Der Steuerpflichtige kann sich zur Darlegung der verkürzten tatsächlichen Nutzungsdauer eines Gebäudes jeder Darlegungsmethode bedienen, die im Einzelfall zur Führung des erforderlichen Nachweises geeignet erscheint;
- Erforderlich ist, dass die Darlegungen des Steuerpflichtigen Aufschluss über die maßgeblichen Determinanten geben. Dazu gehören zum Beispiel technischer Verschleiß, wirtschaftliche Entwertung oder rechtliche Nutzungsbeschränkungen, die die Nutzungsdauer im Einzelfall beeinflussen, und auf deren Grundlage der Zeitraum, in dem das Gebäude voraussichtlich seiner Zweckbestimmung entsprechend genutzt werden kann, im Wege der Schätzung mit hinreichender Bestimmtheit zu ermitteln ist.
Klar formuliert hat der BFH jedoch, dass kein Bausubstanzgutachten nach dem ERAB-Verfahren (Verfahren zur Ermittlung des Abnutzungsvorrats von Baustoffen) erforderlich ist. Das bedeutet aber noch nicht, dass jede Art von Gutachten ausreichend ist, dass die Immobilie höher abschreibbar ist. Ein Grund für eine schnellere Abschreibung ist eine vorzeitige wirtschaftliche Entwertung oder eine rechtliche Nutzungsbeschränkung.
Die Sichtweise der Finanzverwaltung
In Reaktion auf die Rechtsprechung des BFH äußerte sich die Finanzverwaltung (Schreiben des Bundesministeriums der Finanzen vom 22. Februar 2023) nochmals zu den Nachweisanforderungen für eine höhere Gebäudeabschreibung.
- Ein reines Verkehrswertgutachten reicht den Behörden nicht aus.
- Es bleibt bei der ablehnenden Haltung zur modellhaften Ermittlung der Restnutzungsdauern nach der Immobilienwertermittlungsverordnung (ImmoWertV).
- Das beauftragte Gutachten muss sich ausdrücklich auf den Nachweis einer kürzeren tatsächlichen Nutzungsdauer richten und die maßgeblichen Determinanten hierzu enthalten. Dabei ist auch eine mögliche Nachfolgenutzung des Gebäudes zu berücksichtigen.
- Es ist den Finanzämtern weiterhin ein Gutachten eines öffentlich bestellten und vereidigten Sachverständigen vorzulegen.
Im Gutachten ist darüber hinaus der Zustand der Tragstruktur des Bauwerks darzulegen. Auch wenn ein ERAB-Gutachten nicht mehr erforderlich ist, erachten die Finanzämter dieses aber als hilfreich. „Es hat sich also nicht wirklich viel geändert“, meint Steuerberater Lange. Wenn die Gutachten nicht die Anforderungen der Finanzverwaltung erfüllen, bleibt nur der Klageweg mit ungewissem Ausgang und weiteren Kosten. „So erfrischend das Urteil des BFH aufgenommen wurde, so ernüchternder war nun die Reaktion der Finanzverwaltung“, sagt Stefan Lange.
Jüngste Entwicklung
Mit zwei Urteilen jeweils vom 14. Februar 2023 (1 K 3840/19 F und 1 K 3841/19 F) hat das Finanzgericht Münster den Nachweis der kürzeren Nutzungsdauer nach ImmoWertV zugelassen. Bleibt also abzuwarten, ob der BFH hierzu in absehbarer Zeit nochmals Stellung bezieht.
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