9,60 Euro, das ist der derzeitige gesetzliche Mindestlohn in Deutschland. Davon gehen Sozialversicherung und ggf. auch Steuern ab. Grüne, Linke und die SPD fordern eine Erhöhung des Mindestlohnes auf 12,00 Euro. Wer profitiert davon? Die Hans-Böckler-Stiftung hat herausgefunden, dass es mehr Berufsgruppen betrifft als erwartet.
Der Mindestlohn in Deutschland
Im Jahr 2015 hat Bundesregierung zum ersten Mal ein Gesetz zur Einführung eines Mindestlohnes erlassen. Das wurde notwendig, weil immer mehr Branchen sich aus der Tarifbindung gelöst hatten. Heute zahlen nur noch 51 Prozent aller Unternehmen nach Tarif, zu Beginn der Jahrtausendwende waren es noch 68 Prozent. Der Mindestlohn ist hier ein wirksames Regulativ, um Lohndumping zu bremsen.
Im Grunde kann sich niemand ganz sicher sein, dass er im Laufe seines Berufslebens nicht doch einmal über kurz oder lang im Niedriglohnsektor arbeiten muss. Da genügt es, dass der langjährige Arbeitgeber seine Toren für immer schließt und der bis dahin erfolgreiche Chef der IT- Abteilung, der über viele Jahrzehnte immer mit der gleichen Software gearbeitet hat, in anderen Unternehmen nicht mehr auf Anhieb Fuß fassen kann.
Dennoch gibt es verschiedene Faktoren, welche die Wahrscheinlichkeit, im Niedriglohnsektor zu arbeiten, erhöhen. Diese sind laut Dr. Malte Lübker vom Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Institut Düsseldorf unter anderem eine Teilzeitstelle, keine Tarifbindung, eine Betriebsgröße unter 100 oder ein Wohnsitz in Sachsen-Anhalt, Niedersachsen oder Schleswig-Holstein.
Auch eine langjährige Ausbildung schützt nicht vor dem Mindestlohn. Das zeigt sich deutlicher bei einem Blick auf die Berufsgruppen, bei denen meist nur die gesetzlichen Mindestlöhne bezahlt werden, beispielsweise bei Friseurinnen, Bäckerei- und Metzgereifachverkäuferinnen, im Einzelhandel, Rechtsanwaltsfachangestellten, medizinischen und zahnmedizinischen Fachangestellten und Telekommunikationskaufleuten (Callcenter-Agent).
Bei all diesen Berufen handelt es sich um eine mindestens zwei-, häufig dreijährige Ausbildung.
Warum nicht nur der Niedriglohnsektor von 12,00 Euro Mindestlohn profitiert
Laut der einer IMK Studie vom September 2021 profitieren zwischen acht und zehn Millionen Beschäftigte unmittelbar von einer Erhöhung des Mindestlohns auf 12,00 Euro. Dies sind nicht nur Beschäftigte aus den oben genannten Berufsgruppen im "klassischen" Mindestlohnsektor, sondern vor allem auch Beschäftigte kleinerer Betriebe, die nicht der Tarifpflicht unterliegen. Regional lässt sich das vorwiegend auf den Norden und Osten Deutschlands einschränken, sowie auf die strukturschwachen Regionen des Saarlandes und von Rheinland-Pfalz. Doch die gleiche Studie zeigt auch, dass nicht nur die Arbeitnehmer selbst, sondern die gesamte Wirtschaft einen erheblichen Nutzen aus einer solchen Anhebung zieht. Hier einige Beispiele:
Stärkung der Sozialsysteme: Mit dem erhöhten Bruttolohn werden höhere Sozialversicherungsbeiträge bezahlt.
Stärkung des Binnenmarktes: Vom Mindestlohn betroffen sind vorwiegend Menschen, die ihr gesamtes Gehalt für die normalen Lebenshaltungskosten ausgeben müssen. Das zusätzliche Geld fließt somit gleich wieder in den Wirtschaftskreislauf zurück.
Stärkung des Arbeitsmarktes: Ein angepasster Mindestlohn auf 12,00 Euro erhöht die Attraktivität bestimmter gesellschaftlich relevanter Berufe, beispielsweise im Pflegebereich, und sorgt hier für einen Beschäftigungsanstieg.
Stärkung der Produktivität: Der Produktivitätsgewinn entsteht, weil der höhere Lohn eine Verlagerung der Beschäftigung von weniger produktiven Jobs zu Jobs mit einer höheren Produktivität führt. Laut IMK-Study steigt die Produktivität bei einer Erhöhung auf 12,00 Euro um ein Prozent.
Stärkung des Zusammenhaltes: Mit einer Erhöhung des Mindestlohns werden soziale Unterschiede, die im Laufe der vergangenen Jahrzehnte immer größer geworden sind, verringert. Das schafft eine größere Zufriedenheit und wirkt sich positiv auf den gesellschaftlichen Zusammenhalt aus
Stärkung des Wohlbefindens Einzelner: Menschen im Niedriglohnsektor leiden deutlich häufiger an psychischen Erkrankungen. Diese sind die Folgen finanzieller Sorgen, aber auch einer Mehrbelastung durch deutlich längere Arbeitszeiten bzw. belastender Mehrfachbeschäftigung.
Erhöhung des Mindestlohns – ein Fazit
Als im Jahr 2015 das Mindestlohngesetz verabschiedet wurde, gab es viele besorgte Stimmen von Arbeitgeberverbänden und der Wirtschaft. Nichts davon ist eingetreten. Bäckereien mussten nicht schließen, wir können immer noch zum Friseur gehen (wenn nicht gerade Corona ist), und auch das Gaststättengewerbe musste keine Massenentlassungen vornehmen. Ganz im Gegenteil, heute suchen Restaurantbesitzer und Pflegeheime händeringend nach Personal. Ein Mindestlohn von 12,00 Euro könnte dem Abhilfe schaffen.
Quellen
Krebs, Tom; Drechsel-Grau, Moritz: Mindestlohn von 12 Euro: Auswirkungen auf Beschäftigung, Wachstum und öffentliche Finanzen
IMK Study, Düsseldorf, 26 Seiten
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