Zusatzmaut im Land käme zur Unzeit

Der Baden-Württembergische Industrie- und Handelskammertag (BWIHK) sowie die IHK Ostwürttemberg appellieren an die Landesregierung, das geplante Vorhaben einer Zusatzmaut auf Landes- und Kommunalstraßen in Baden-Württemberg aufzugeben und den Unternehmen im Südwesten keine weitere Belastung aufzuerlegen.

Die Wirtschaft im Südwesten ächzt bereits unter hohen Kosten im Straßentransport. „Eine Maut auf Landes- und Kommunalstraßen in Baden-Württemberg wäre zusätzlich zur jüngst beschlossenen Bundesmauterhöhung in der aktuellen konjunkturellen Lage nicht tragbar“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler. Die gewünschte Lenkungswirkung im Güterverkehr für die nächsten Jahre ist unrealistisch, denn auf der Schiene bestehen keine Kapazitäten und es fehlen attraktive Angebote an emissionsfreien Lastkraftwagen. Die Südwestwirtschaft steht zu den Klimazielen, durch die Maut hätten Unternehmen in Baden-Württemberg aber einen weiteren Wettbewerbsnachteil gegenüber anderen Bundesländern.

Bereits im Mai 2023 hatten sich die Handwerkskammer Ulm sowie die IHK Ostwürttemberg einmütig gegen eine solche Ausweitung der Lkw-Maut ausgesprochen. Die beiden Hauptgeschäftsführer Dr. Tobias Mehlich sowie Thilo Rentschler hatten sich damals über mögliche Auswirkungen ausgetauscht. „Aufgrund der fehlenden Infrastruktur beispielsweise in Form einer Zweigleisigkeit der Brenzbahn ist aktuell eine gewünschte Verkehrsverlagerung durch die Maut kaum möglich“, erklärt IHK-Hauptgeschäftsführer Thilo Rentschler. Eine Maut auf Landesstraßen bringe vielmehr die Gefahr mit sich, dass größere Umwege gefahren werden, um eine zusätzliche Abgabe und somit Verteuerung der Transportkosten zu vermeiden. „Lkw werden durch die Maut vermehrt auf Strecken außerhalb von Baden-Württemberg beispielsweise zwischen Dinkelsbühl und Ulm ausweichen“, erläutert Rentschler weiter. Alexander Paluch, Verkehrsreferent der IHK Ostwürttemberg, verweist zudem auf die im November 2022 verabschiedeten verkehrspolitischen Positionen, in  denen eine Maut auf Landes-, Kreis- und Kommunalstraßen abgelehnt wurde. „Kunden von Handwerks- und Industriebetrieben, Dienstleistern und Händlern in und aus der Region müssen erreichbar sein – ohne zusätzliche Kosten durch eine Maut“, sagt Rentschler.

Es stellt sich außerdem die Frage, wie rentabel eine Landesmaut sein würde, da für deren Einführung Investitionen seitens des Landes notwendig werden würden. Für die Unternehmen würde sie eine weitere bürokratische Herausforderung darstellen – entgegen aller Beteuerungen, die Bürokratie abbauen zu wollen.

Durch die Maut auf Landesstraßen würde insbesondere für Betriebe in den Grenzregionen Baden-Württembergs ein Standortnachteil entstehen. Wenn beispielsweise eine Spedition aus einer ländlichen Kommune in Baden-Württemberg ein Unternehmen im ländlichen bayerischen Raum beliefert, muss sie zwangsläufig Landesstraßen nutzen. Ein solches Unternehmen hätte dann gegenüber einem bayerischen Unternehmen einen eindeutigen Wettbewerbsnachteil. „Ein investitionsfreundliches Klima mit Freiheit für unternehmerische Entscheidungen gepaart mit entsprechenden Anreizsystemen wären der richtige Ansatz, um Logistik-Fahrzeuge und Busse schneller mit alternativen Antriebssystemen auszustatten. Eine mautbedingte Verteuerung des Lkw-Verkehrs hingegen sehen wir als Wettbewerbsnachteil an“, fasst Thilo Rentschler zusammen.

Erhöhung der bestehenden Maut kritisiert

Schon im Sommer 2023 hatte der IHK-Verkehrsausschuss ebenfalls die nun beschlossene Mauterhöhung auf Bundesebene kritisiert. Vor diesem Hintergrund käme eine weitere Maut durch die Landesregierung auf Landesstraßen zur Unzeit und wird durch den IHK-Verkehrsausschuss abgelehnt. Außerdem hatte die IHK Ostwürttemberg die Bundestagsabgeordneten aus der Region diesbezüglich angeschrieben und um ihre Unterstützung gebeten.

Die Bundesregierung hat jüngst eine erhebliche Erhöhung der Maut auf deutschen Straßen ab dem 1. Dezember 2023 beschlossen. Demnach wird ein Zuschlag von 200 Euro je Tonne CO2 erhoben werden. Dadurch wird der Mautpreis zur aktuellen Situation nahezu verdoppelt.

Zudem soll die Mautpflicht ab 1. Juli 2024 auf Kraftfahrzeuge ab 3,5 Tonnen zulässigem Gesamtgewicht (zGG) ausgeweitet werden. „Die Zusatzkosten und Aufwände werden in erster Linie durch die Transportunternehmen und Dienstleister mit größeren Transportern getragen. Trotz schwieriger Wettbewerbssituation müssen diese Kosten an die Kunden weitergegeben werden. Die vorgesehenen Ausnahmen für Handwerker und deren eingesetzte Fahrzeuge führen zu erheblichen Problemen bei der Abgrenzung der Wirtschaftsbereiche und zu Wettbewerbsverzerrungen“, sagt Frank Ratter, Vorsitzender des Verkehrsausschusses der IHK Ostwürttemberg, dazu.

Die Änderungen im Mautgesetz verursachen nach verschiedenen Berechnungen voraussichtlich um die 7 Milliarden Euro jährlich an zusätzlichen Kosten für die deutsche Wirtschaft. Zudem entsteht ein hoher bürokratischer Aufwand.
Die Verwendung der bundesweiten Mauteinnahmen wird im Gesetz neu geregelt. Die Hälfte der Mauteinnahmen ist weiterhin zweckgebunden für die Verbesserung der Verkehrsinfrastruktur für die Bundesfernstraßen zu verwenden. „Allerdings bleibt höchst fraglich, wann die Transportbranche tatsächlich vom Ausbau des Schienengüterverkehrs profitieren kann. Zudem werden die Mehreinnahmen eigentlich auch dringend für den Ausbau der Straßeninfrastruktur inklusive neuer Lkw-Parkplätze benötigt“, kritisiert der IHK-Ausschussvorsitzende Frank Ratter weiter.

Emissionsfreie Fahrzeuge sollen bis Ende 2025 von der Mautpflicht befreit werden. Eine Zusage der Mautbefreiung bis Ende 2025 sei nicht ausreichend, um in einen E-Lkw zu investieren, so Frank Ratter abschließend.

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