Bewertungen werden zum Zwiegespräch

Der direkte Umgang von Arbeitgebern mit Kritik oder Lob ist eines der wichtigsten Kriterien dafür, ob sie im Fachkräftemangel allseits umworbene Talente für sich gewinnen können oder nicht. Das ist das Ergebnis einer aktuellen Studie, für die das Trendence Institut im Auftrag eines interuniversitären Forschungsteams 1.528 Bewerber*innen befragte, von denen 1.050 angaben Bewertungsportale zu nutzen. Forschungsgegenstand war der Einfluss von Mitarbeiterkritik auf den Bewerbungsprozess. Demnach sind Bewertungen auf Plattformen wie kununu neben Empfehlungen aus dem Bekanntenkreis die glaubwürdigste Quelle, wenn sich wechselwillige Talente über Arbeitgeber informieren. Großes Vertrauen setzen sie dabei allerdings nicht nur in die Bewertung, sondern auch in die Reaktion des Arbeitgebers darauf. Denn 83,2% der Kandidat*innen lesen auch die unternehmensseitige Antwort auf kununu & Co. – 46,4% immer oder oft. Hintergrund: Arbeitgeber haben auf Bewertungsplattformen wie kununu die Möglichkeit, eine Antwort direkt unter eine Bewertung zu posten. 

kununu-Nutzende stellen die Kritikfähigkeit von Arbeitgebern auf den Prüfstand

Den Trend zur Auswertung der Kritikfähigkeit von Arbeitgebern belegt auch eine andere Zahl, die die Wissenschaftler*innen ermittelten: Eine Antwort auf Bewertungen begrüßen 71,9% aller Kandidat*innen, die auf derartigen Plattformen unterwegs sind. Gerade einmal 5,9% halten sie für schlecht. Folgerichtig haben diese Stellungnahmen einen enormen Einfluss, wenn es um die Einordnung von Bewertungen geht. Denn immerhin 42,3% stehen zunächst auf Seiten der Bewertenden, wenn sie Kritik an einem Arbeitgeber lesen. Diese Haltung ist allerdings nicht in Stein gemeißelt. Mehr als drei Viertel der Studienteilnehmenden räumen ein, ihre Tendenz durchaus zu ändern, wenn sie eine Arbeitgeberantwort überzeugend finden. Mehr als die Hälfte (51,4%) treten zunächst ohne Vorbehalte an einen Dialog zwischen Bewertenden und Arbeitgeber heran und bewerten ihn anschließend anhand des kompletten Zwiegesprächs zwischen Bewerter*innen und Arbeitgeber. Beim Dementieren eines kritischen Vorwurfs schätzen 62,8% eine sachliche Sprache als hilfreich ein. Weitere 67,9% wünschen sich eine faktenorientierte Argumentation seitens der Arbeitgeber, um sich selbst ein Bild der Situation zwischen Unternehmen und Bewertendem zu machen. 

„Ich schließe aus unserer Studie: Arbeitgeber können mit einer souveränen und vor allem sachlichen Reaktion auf Bewertungen viel erreichen. Was sie dabei vor allem im Hinterkopf haben sollten: Sie antworten auf Kritik oder ausgewogene Bewertungen nicht nur für den individuell Bewertenden, sondern vor allem in Richtung der Mitlesenden“, erklärt Professor Wolfgang Mayrhofer von der Wirtschaftsuniversität Wien, der die Studie wissenschaftlich begleitete. Seine Einschätzung wird durch ein weiteres Studienergebnis gedeckt. Denn 50,3% der Teilnehmenden gaben im Rahmen der Befragung an, vor allem auf die Art und Weise der Argumentation seitens des Arbeitgebers zu achten, um für sich selbst Rückschlüsse ziehen zu können, ob dieser für sie infrage kommt oder nicht. 

Dezidierter Blick auf Arbeitskriterien schlägt den Einfluss der Gesamtnote

Recherchieren gefragte Talente generell auf kununu & Co. nach dem passenden Arbeitgeber, achten sie vor allem auf Arbeitgeberbewertungen, die Kritik und Lob vereinen. So finden aktuell 71,5% der Nutzer von Arbeitgeberbewertungsplattformen primär ausgewogene Bewertungen hilfreich, wenn sie sich für oder gegen einen Arbeitgeber entscheiden möchten. Extreme Kritik hingegen wird von vielen Teilnehmenden (42%) als unglaubwürdiger Racheakt eingestuft. Besonders positive Kritik ist lediglich für 4,1% hilfreich. Dazu passt das konkrete Nutzungsverhalten der Kandidat*innen. 63,7% von ihnen nehmen sich die Zeit, in Bewertungen dezidiert nach Arbeitgeberkriterien wie Kollegenzusammenhalt, Führungsverhalten oder Gehalt Ausschau zu halten. Im Vergleich: Der kununu-Score ist für „nur“ 47,7% interessant. Gerade einmal 8,3% der in der wissenschaftlichen Studie Befragten würden etwa einen Arbeitgeber von vorneherein ausschließen, der mit einem Score von unter 3,0 auf kununu ausgewiesen ist.

Die hohe Neigung zu ausgewogenem Umgang mit Arbeitgeberbewertungen entspricht aus Sicht der Nutzenden auch immer mehr der gängigen Bewertungspraxis. So haben mehr als die Hälfte von ihnen (51,2%) das Gefühl, dass ausgewogenes Feedback auf kununu & Co. derzeit überwiegt. Ein Drittel registrieren dagegen noch mehrheitlich negative Bewertungen und 16,0% in erster Linie positive. „Viele Bewerber*innen werden von mehreren Unternehmen umworben. Diese starke Position nutzen sie dazu, sich sehr intensiv mit ihrer Entscheidung für oder gegen einen Arbeitgeber auseinanderzusetzen. Sie wollen sich dabei nicht von extremen Bewertungen irreführen lassen. Weder Rachefeldzüge enttäuschter Ex-Mitarbeitender sind für sie interessant noch Lobeshymnen von vermeintlichen Muster-Beschäftigten. Die Entscheidung für einen Arbeitgeber ist vielmehr eine abwägende. Bewertungen auf kununu oder anderen Plattformen sind dabei im Spannungsfeld des Fachkräftemangels ganz entscheidende Gradmesser“, so Markus Latzke, einer der Studienleiter und Karriereforscher an der IMC Fachhochschule Krems.

Über die Studie

Für die bundesweit im März 2023 online durchgeführte repräsentative Umfrage befragte das HR-Marktforschungsunternehmen Trendence im Auftrag eines interuniversitären Forscherteams unter der wissenschaftlichen Leitung von Markus Latzke (IMC FH Krems) und Wolfgang Mayrhofer (WU Wien) 1.524 Teilnehmende, die sich in den vergangenen 12 Monaten in mindestens einem Bewerbungsprozess befanden oder nach einem potenziell neuen Arbeitgeber suchten. Von diesen gaben 1.050 an, Arbeitgeberbewertungsportale bereits genutzt zu haben. 51,4% der Teilnehmenden waren männlich, 48,1% weiblich und das Durchschnittsalter lag bei 38,6 Jahren. 

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