VDA-Umfrage: Neun von zehn Unternehmen halten Standort Deutschland international für nicht wettbewerbsfähig

Rund neun von zehn Unternehmen (88 Prozent) halten den Standort Deutschland in Bezug auf Energiekosten, Arbeitskräfte und Steuerbelastung international für nicht wettbewerbsfähig. Das zeigt eine aktuelle Umfrage des Verbandes der Automobilindustrie (VDA) unter den Automobilzulieferern (Herstellergruppe III) sowie den mittelständisch geprägten Herstellern von Anhängern, Aufbauten und Bussen (Herstellergruppe II), die vom 23. Januar bis 3. Februar 2023 durchgeführt wurde. An der Umfrage haben sich 116 Unternehmen beteiligt. Damit liegen dem VDA repräsentative Aussagen zur aktuellen Lage und den Perspektiven der Automobilindustrie vor.

Die Unzufriedenheit mit dem Standort hat offenbar auch deutliche Auswirkungen auf die Investitionsabsichten: So gaben in einer Umfrage aus dem Juli vergangenen Jahres noch 56 Prozent der befragten Unternehmen an, ihre Investitionen verschieben zu wollen, in einer weiteren im September waren es 45 Prozent gewesen. In der aktuellen Umfrage geben zwar nun nur noch 28 Prozent an, dies zu planen – dafür aber steigt der Anteil der Unternehmen, die ihre Investitionen ins Ausland verlagern oder diese gänzlich streichen wollen: So planen laut den aktuellen Umfrageergebnissen 28 Prozent eine Investitionsverlagerung ins Ausland (September 2022: 22 Prozent) und 14 Prozent eine Streichung der Investitionen (September 2022: 9 Prozent). Lediglich 2 Prozent der Unternehmen geben in der aktuellen Umfrage an, ihre Investitionen in Deutschland – angesichts der aktuellen Lage – erhöhen zu wollen, 1 Prozent weniger als im September des vergangenen Jahres.

VDA-Präsidentin Hildegard Müller: „Immer mehr Unternehmen betrachten den Standort Deutschland als international nicht wettbewerbsfähig, das ist kein gutes Zeugnis für die deutsche Industriepolitik. Das Ergebnis zeigt einmal mehr, dass wir dringend ein ambitioniertes Standortprogramm brauchen: weniger Bürokratie, mehr Handelsabkommen, ein konkurrenzfähiges Steuersystem, einfachere und schnelle Planungs- und Genehmigungsverfahren. Darüber hinaus muss unsere Energie- und Rohstoffversorgung mit internationalen Partnerschaften abgesichert werden, wenn wir Deutschland und Europa unabhängiger machen wollen. Bei all dem braucht die Politik mehr Tempo und Entschlossenheit, sonst drohen wir international zunehmend den Anschluss zu verlieren.“

Die Umfrage zeigt: Der hohe Strompreis ist die derzeit größte Herausforderung für die Automobilzulieferindustrie und den automobilen Mittelstand in Deutschland. Rund 82 Prozent der befragten Unternehmen geben an, stark oder sogar sehr stark durch die hohen Strompreise belastet zu sein. Durch die hohen Gaspreise sind drei von vier Unternehmen stark oder sogar sehr stark (73,3 Prozent) herausgefordert. Noch stärker belastet – vom Strompreis abgesehen – derzeit nur der Arbeits- und Fachkräftemangel die Unternehmen. Unter ihm leiden 77,6 Prozent stark oder sogar sehr stark. Zudem geben 62 Prozent der Unternehmen an, durch Bürokratie stark oder sehr stark belastet zu sein. Das zeigt sich auch bei den Rückmeldungen der Unternehmen zur in der Umsetzung befindlichen Gas- bzw. Strompreisbremse: 36 Prozent beurteilen die Gas- bzw. Strompreisbremse als hilfreich oder sehr hilfreich, doch 39 Prozent betrachten sie als wenig oder gar nicht hilfreich. Zudem gibt mehr als jedes 5. Unternehmen an, noch gar nicht beurteilen zu können, ob diese Instrumente für sie hilfreich sind.

VDA-Präsidentin Hildegard Müller: „Die Unternehmen der deutschen Automobilindustrie, insbesondere die mittelständischen Betriebe, finden sich immer schlechter im Bürokratie-Dschungel zurecht. Viele von ihnen müssen sich nun auch in Anbetracht der bürokratischen Ausgestaltung der Gas- und Strompreisbremse externe Beratung holen – und das, ohne zu wissen, ob sie überhaupt in der jeweiligen Situation hilfreich und für ihr Unternehmen anwendbar ist. Das darf nicht sein. Die Unternehmen brauchen all ihre Kraft, um die Transformation zu stemmen und ihre Betriebe – den Krisen zum Trotz – zukunftsfest aufzustellen. Umso wichtiger ist eine unbürokratische Ausgestaltung von Hilfsinstrumenten.“

Müller weiter: „Unsere Umfrage zeigt einmal mehr, dass die Energiekosten runter müssen. Dazu muss die Angebotsseite so weit wie möglich national ausgebaut, Energiepartnerschaften mit anderen Ländern abgeschlossen und z.B. die Stromsteuer auf das europäische Minimum abgesenkt werden.“

Hinsichtlich der Beschaffung von Rohstoffen, Materialien und Vorprodukten sehen 42 Prozent der Unternehmen eine Verbesserung der Situation gegenüber dem Herbst 2022. Gut die Hälfte der Unternehmen (51 Prozent) gibt an, die Situation habe sich nicht signifikant verändert. Für gut jedes zehnte Unternehmen (12 Prozent) hat sich die Situation seit dem Herbst verschlechtert.

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