Arbeitgeber durften die Durchführung von Corona-Schnelltests bereits vor der gesetzlichen 3G-Regelung anordnen

Am 24.11.2021, also an dem Tag, ab dem Arbeitnehmer aufgrund des neu in Kraft getretenen § 28b IfSG ohnehin Impf-, Genesenen- oder Testnachweise vorlegen müssen, bevor sie Arbeitsstätten betreten, hat die Rechtsprechung – soweit erkennbar erstmalig – zu der Frage Stellung genommen, ob die Anordnung zur Durchführung von Corona-Schnelltests (vor Inkrafttreten des neuen Gesetzes) vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt war.

Sachverhalt

Geklagt hatte ein Arbeitnehmer, der im Juni 2021 wiederholt die Durchführung von Corona-Schnelltests vor Arbeitsbeginn verweigert hatte und dessen Arbeitsverhältnis nach der dritten Verweigerung ordentlich gekündigt wurde. Bei den Schnelltests handelte es sich um solche zur Eigenanwendung, die einen Abstrich im vorderen Nasenbereich nehmen. Die Verpflichtung zur Durchführung der Corona-Schnelltests wurde zuvor im Wege interner Kommunikationskanäle auferlegt. Darüber hinaus wurde der Kläger auch am Tag seiner Verweigerung der Tests mündlich auf die Pflicht zur Durchführung der Tests hingewiesen.

Die Entscheidung des Arbeitsgerichts Hamburg

1) Das Arbeitsgericht Hamburg kommt im Rahmen einer umfangreichen Interessenabwägung zu dem Ergebnis, dass der Arbeitgeber in dem zu entscheidenden Fall aufgrund seines Direktionsrechts berechtigt war, die Durchführung von bereitgestellten Corona-Schnelltests anzuordnen. Das Gericht führt diesbezüglich aus, dass eine solche arbeitgeberseitige Anordnung billigem Ermessen im Sinne des § 106 GewO entspricht. Es stellt hierbei die Einschränkungen des Arbeitnehmers den Interessen des Arbeitgebers gegenüber.

Bei den Schnelltests handele es sich zwar um einen Eingriff in die körperliche Integrität des Arbeitnehmers, der jedoch von äußerst geringer Intensität sei. Das Gericht bezeichnet diesen Eingriff in seiner Entscheidung als „lediglich mit einem leicht unangenehmen Gefühl verbunden“. Da es sich bei den Schnelltests um solche zur Selbstanwendung handelte, könne der Kläger als Anwender des Tests diesen auch so durchführen, dass das Vorgehen „komplett schmerzfrei abläuft“. Dem Einwand des Klägers, der Arbeitgeber hätte „weniger invasive“ Tests zur Verfügung stellen müssen, erteilte das Gericht ebenfalls eine Absage:

„Die Forderung des Klägers nach einem weniger invasiven Test geht insofern fehl, als dass der von der Beklagten gewählte Test bereits auf der Stufe der am wenigsten invasiven Tests steht. Der wenige Sekunden dauernde Abstrich im vorderen Nasenbereich ist nach Überzeugung des Gerichts abstrakt-generell genauso wenig invasiv wie etwa ein Gurgel- bzw. Spucktest; all diese Tests erfordern eine unnatürliche körperliche Handlung, die jedoch äußerst schnell vergeht und auf ihre jeweilige Art ein minimal unangenehmes Empfinden hervorrufen kann.“

Diesen minimalen Einschränkungen stehen nach der Entscheidungsbegründung „gewichtige(re) Interessen“ des Arbeitgebers, insbesondere der Schutz seiner Kunden und Mitarbeiter „vor dem Infektionsrisiko mit ggf. schwerwiegenden gesundheitlichen Folgen entgegen.“ Da eine Gefährdungslage durch die Corona-Pandemie bestehe, handele es sich bei der Testpflicht um eine legitime sowie geeignete Maßnahme, um dieser Gefährdungslage zu begegnen. Bereits aufgrund der Fürsorgepflicht eines Arbeitgebers gegenüber seinen Beschäftigten sei dieser gem. § 618 BGB i.V.m. § 3 Abs. 1 ArbSchG verpflichtet, „sicherzustellen, dass andere Mitarbeiter, mit denen auch der Kläger denknotwendig z.B. schon auf dem Betriebsgelände Kontakt haben konnte, einem nur geringen bis gar keinem Infektionsrisiko ausgesetzt werden“. Hinzu komme, dass die Anordnung der Testpflicht „im gleichen Maße“ dem Gesundheitsschutz der Kunden des Arbeitgebers diene. Insofern habe der Arbeitgeber auch ein berechtigtes wirtschaftliches sowie grundrechtlich geschütztes Interesse daran, sich während einer Pandemie, in der „strenge Infektionsschutzmaßnahmen“ für Kunden wichtig sind, sich als „möglichst maßnahmenintensives Unternehmen am Markt zu positionieren“.

Auch datenschutzrechtliche Aspekte stehen nach Auffassung des Arbeitsgerichts Hamburg einer Anordnung von Corona-Schnelltests nicht entgegen. Dies gelte sowohl für eine auf Vertrauen basierte regelmäßige Selbsttestung zuhause als auch für das Testen im Betrieb, bei dem der Arbeitgeber den Testnachweis kontrolliert. Entscheidend sei nach Auffassung der Richter, dass dem Arbeitgeber hierdurch zwar DNA des zu testenden Arbeitnehmers vorliege, die „bloße Zugriffsmöglichkeit auf körperliche Proben, die die DNA eines Arbeitnehmers enthalten“ jedoch ein „fester Bestandteil nicht nur des Arbeitslebens, sondern allen gesellschaftlichen Zusammenkommens“ sei. Da ein Arbeitgeber jederzeit, etwa durch entfallene Haare eine solche „Probe“ eindeutig einem Arbeitnehmer zuordnen könne, besteht im Hinblick auf das allgemeine Persönlichkeitsrecht erst dann Anlass zur Sorge, wenn „weitere Gründe die Annahme bestärken, dass diese Zugriffsmöglichkeit auf DNA-Material auch genutzt wird“.

Eine andere Bewertung könne – so die Hamburger Arbeitsrichter – nur dann anders ausfallen, „sobald das abstrakte Risiko von gefährlichen Krankheitsverläufen mittels einer flächendeckenden Immunisierung stark verringert ist“. Dies sei jedoch im Juni 2021 jedenfalls noch nicht der Fall gewesen.

2) Die Verweigerung der angeordneten Testpflicht stellt in der Konsequenz auch eine Pflichtverletzung des Arbeitnehmers dar, aufgrund derer ein Arbeitgeber – im Wiederholungsfall und nach grundsätzlich zuvor ergangener Abmahnung – eine wirksame Kündigung stützen kann.

Praxisrelevanz und Bewertung der Entscheidung

Nachdem über viele Monate sowohl innerhalb der Unternehmen als auch in der anwaltlichen Beratung die Frage, ob das Direktionsrecht des Arbeitgebers die Anordnung einer Testpflicht umfasst, heiß diskutiert wurde, positioniert sich das Arbeitsgericht Hamburg – soweit ersichtlich – erstmals im Sinne der Arbeitgeber und des Gesundheitsschutzes zu diesem Aspekt. Obwohl die Entscheidung für derzeit bestehende Arbeitsverhältnisse aufgrund der neuen gesetzlichen 3G-Regelung am Arbeitsplatz nur eine begrenzte Bedeutung zu haben scheint, entfaltet sie eine gute Signalwirkung und stellt für noch laufende Rechtsstreitigkeiten ggf. einen Wegweiser dar. Es verdeutlicht insofern auch die im Rahmen der jetzt geltenden gesetzlichen 3G-Regelung bestehende Verpflichtung, entsprechende Impf-, Genesenen- oder Testnachweise vor Arbeitsbeginn nachzuweisen: Weigert sich ein Arbeitnehmer (der seiner Tätigkeit auch nicht im Home-Office nachgehen kann), entsprechende Nachweise vorzulegen, dürfte eine Kündigung durch den Arbeitgeber nach erfolgter Abmahnung grundsätzlich wirksam sein.

Aber auch unter Berücksichtigung des Ablaufs der (gesetzlichen) 3G-Regelung am Arbeitsplatz zum 19. März 2022 führt die Entscheidung zu mehr Rechtssicherheit in Bezug auf ab dem 20. März 2022 ggf. erneut erforderlich werdende betriebliche Testpflichten. Spannend bleibt sodann hingegen die Frage, ob man ab diesem Zeitpunkt ggf. bereits von einer „flächendeckenden Immunisierung“ ausgehen kann, die nach der Auffassung des Gerichts einer betrieblichen Testpflicht entgegenstehen könnte.

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