„Mit dem Kiel Trade Indicator liefert das IfW Kiel einen konjunkturellen Frühindikator von bislang nicht gekannter Qualität und Quantität“, sagte IfW-Präsident Gabriel Felbermayr. „Hochfrequente Daten bieten für uns die große Chance, wirtschaftliche Ausschläge mit sehr geringem Zeitversatz ablesen oder prognostizieren zu können. Wirtschaft und Politik können so beispielsweise sehr viel früher auf sich abzeichnende Verwerfungen reagieren und gegensteuern.“
Der Kiel Trade Indicator stützt sich auf Echtzeit-Daten des maritimen Containerverkehrs weltweit und zeigt auf deren Basis nominale, saisonbereinigte Handelsveränderungen gegenüber dem Vormonat an. Anlegende und ablegende Schiffe werden dabei für 500 Häfen weltweit erfasst. Zusätzlich werden Schiffsbewegungen in 100 Seeregionen analysiert und die effektive Auslastung der Containerschiffe anhand des Tiefgangs gemessen. Mittels Länder-Hafen-Korrelationen können Prognosen für die Im- und Exporte erstellt werden – auch für Länder ohne eigenen Tiefseehafen.
Die Auswertung der Daten erfolgt unterstützt von künstlicher Intelligenz und maschinellem Lernen. Mit zunehmenden Daten generiert der Algorithmus des Kiel Trade Indicators einen Erfahrungsschatz und kann Schätzfehler der Vergangenheit eigenständig verbessern. Die Prognosegüte des Kiel Trade Indicators erhöht sich so im Lauf der Zeit immer weiter. Das maschinelle Lernen ermöglicht es außerdem, nicht nur Schätzungen zum Ist-Stand des Handels abzugeben, sondern auch künftige Handelsbewegungen zu prognostizieren.
Lieferausfälle der Corona-Krise frühzeitig erkannt
Schon heute weist der Kiel Trade Indicator im Vergleich mit anderen Frühindikatoren einen geringen statistischen Fehler auf. Er ist zudem früher verfügbar, deutlich umfassender und stützt sich mit Hilfe von Big Data auf eine bislang einzigartig große Datenbasis.
Deshalb hätte der Indikator zum Beispiel im Frühjahr 2020 frühzeitig den durch die Corona-Krise ausgelösten Ausfall von Lieferungen aus Asien nach Deutschland angezeigt. Gleiches gilt für das überraschend schnelle Wiederanspringen der Handelsaktivität. Die hohe und teure Planungsunsicherheit für Unternehmen wäre dadurch geringer gewesen, und die Regierung hätte ihre Hilfsprogramme zielgenauer ausrichten können. Vor allem in solchen disruptiven Entwicklungen kann der Frühindikator also helfen, volkwirtschaftliche Schäden einzudämmen.
Der Kiel Trade Indicator wird zweimal im Monat aktualisiert. Um den 20. werden die Handelsdaten für den laufenden und den folgenden Monat berechnet, hierzu wird es jeweils eine Pressemeldung geben. Um den 3. werden die Handelsdaten für den vergangenen und den laufenden Monat aktualisiert.
Alle unilateralen Handelsprognosen, also Land-zu-Welt, des Kiel Trade Indicators sind auf www.ifw-kiel.de/tradeindicator abrufbar. Bilaterale Prognosen, also Land-zu-Land, können auf Anfrage zur Verfügung gestellt werden.
Dämpfer für Chinas Ausfuhren im April
Mit dem jüngsten Datenupdate am 3. Mai signalisiert der Kiel Trade Indicator für April 2021 einen Anstieg der Ausfuhren im Vergleich zum Vormonat für Deutschland und die EU. China muss sich auf einen klaren Rückgang vorbereiten.
Für Deutschland zeigt der Indikator im April 2021 eine leichte Zunahme der Exporte im Vergleich zum Vormonat um 2,6 Prozent an, für die Importe liegt der Wert bei einer schwarzen Null. In der Europäischen Union (EU) fällt der Export-Anstieg mit 3,3 Prozent vermutlich etwas deutlicher aus, die Importe legen mit 3,2 Prozent wohl in gleicher Größenordnung zu.
„Für Deutschland und die EU bleibt der Außenhandel zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine zentrale Stütze der Wirtschaft“, sagt Vincent Stamer, Leiter Kiel Trade Indicator. „Die Havarie im Suezkanal hatte zumindest im April offenbar keine nachhaltigen Auswirkungen auf die Handelsströme Europas und Deutschlands.“
In den USA dürften vor allem die Importe deutlich steigen, um 6,1 Prozent. Für die Exporte weist der Kiel Trade Indicator einen Wert nahe null aus. Für Chinas Ausfuhren ist mit einem klaren Dämpfer von minus 8,8 Prozent zu rechnen, für die Importe mit einer moderaten Zunahme um 3,1 Prozent. “
„Damit zeigen die Containerschiffbewegungen erstmals seit einem Jahr eine Abkehr von Chinas robustem Exportwachstum an. Dies könnte auf Verspätungen von Schiffen, ausgelöst durch die Krise im Suezkanal, zurückzuführen sein. Gleichzeitig ist es denkbar, dass Konsumenten in Europa und den USA aufgrund von steigenden Corona-Impfraten beginnen, weniger Konsumgüter aus China und wieder mehr heimische Dienstleistungen wie Restaurantbesuche nachzufragen”, sagt Stamer.
Für den gesamten Welthandel ist eine leichte Zunahme um 0,8 Prozent zu erwarten.
Weitere Informationen zum Kiel Trade Indicator und die Prognosen für alle 75 Länder finden Sie auf www.ifw-kiel.de/tradeindicator.
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