Covid-19 – Reflexionen eines Personalchefs: Zum Lernen, Verlernen und dann?

 

Ausgangslage:

Seit der Vertreibung aus dem Paradies muss der Mensch im Schweiße seines Angesichts sein Brot essen (1. Buch Moses, Genesis). Dennoch hat die aktuelle Corona-Krise uns Menschen, unsere Wirtschaft (in welcher die meisten von uns ihr Brot verdienen), unsere Kunst, unsere sozialen Einrichtungen, unseren Sport, unsere Musik, unsere wohltätigen Einrichtungen, NGO und last but not least unsere Politiker wirklich ganz kalt erwischt.

Fast eine halbe Million Menschen sind im Jahr 2020 nun schon an dem Coronavirus gestorben: Und die erschreckenden Bilder aus Bergamo, in welchen Militär-Laster Leichen abtransportieren mussten, und aus New York, wo die Leichen in Kühllastern aufbewahrt werden mussten und die Massengräber; wird wohl niemand von uns jemals vergessen können.

Lernen:

Es gibt Personen, wie den Präsidenten der USA, welche absolut lernunfähig sind. Auch in Brasilien hat sich Covid-19 (aufgrund totaler Inkompetenz bzw. politischem Versagen) zu einer wirklichen Katastrophe und menschlichen Tragödie entwickelt: Insbesondere, weil die Macht in den Händen von Populisten bzw. Autokraten liegt, deren intellektuelle und emotionale Fähigkeiten als sehr limitiert bezeichnet werden müssen. Dies sollte uns aber nicht entmutigen: In einigen Ländern konnten, aufgrund eines kompetenten Krisen-Managements, durchaus positive Resultate erzielt werden.

Als Berater und Interim Manager, welcher aktuell in Italien lebt, war ich seit dem März in Quarantäne und habe schmerzhaft lernen müssen, was es heißt, sich nicht mehr als 200 Meter von seinem eigenen Haus entfernen zu dürfen. Ich habe aber auch gelernt, dass die Menschen eine große Solidarität zeigen können: Zusammen zu singen, Körbe mit Essen für arme Menschen zur Verfügung zu stellen und große Emphatie zu zeigen. Und gleichermaßen Zeit für Entschleunigung zum Lernen bzw. zur Reflexion zu gewinnen. Und auch zu erkennen, wer die wirklichen Freunde sind. Die Vielzahl solidarischer Aktionen von Menschen für Menschen (aber auch für Tiere) hat mich persönlich tief beeindruckt.

Und im Hinblick auf die Arbeitswelt und das Lernen: Wie könnte sich diese Misere im Kontext vielleicht positiv auswirken? Gravierende Einschnitte in unserem Leben beinhalten immer auch eine Vielzahl von Chancen. Oder wie Max Frisch es formuliert hat: Krise ist ein produktiver Zustand. Man muss ihm nur den Beigeschmack der Katastrophe nehmen. Unsere Kitas, Schulen, Ausbildung und Hochschulen – könnten nunmehr in eine digitale Lern-Welt katapultiert werden. Ansonsten hätte dieser Prozess vielleicht noch Jahre oder Jahrzehnte gedauert. Homeoffice ist heute nicht mehr die Ausnahme, sondern eher die Regel: Heimarbeit darf aber nicht als Vehikel zu einem schleichenden Arbeitsplatzabbau bzw. zu schlechteren Konditionen für die Arbeitnehmer missbraucht werden.

Internet-Bestellungen sind auch für Senioren zu einer angenehmen Alternative geworden: Ein Trend der sich sicherlich noch verfestigen wird. Auch viele kleinere Firmen (KMU) nutzen zunehmend die Chancen, welche ihnen das Internet bietet. Unnötige Dienstreisen (oft eine Zeitverschwendung und schädlich für die Umwelt) werden zunehmend durch Video-Konferenzen ersetzt werden. Unternehmen sollten dennoch noch intensiver daran arbeiten, neue Architekturen des Lernens zeitnah und noch effektiver zu verwirklichen. Einige Unternehmen tun dies ohnehin schon seit geraumer Zeit und durchaus erfolgreich (Distance Learning, Tutorials etc.).

Trotz der gegebenen virtuellen Chancen sollte aber nicht vergessen werden, dass menschliche Nähe etwas sehr Wichtiges bleibt: Diese brauchen wir Menschen wie die Luft zum Atmen. So können beispielsweise Personalentwicklungsmaßnahmen wie Coaching, Teambuilding oder Management-Development (auch in Zukunft) nicht ausschließlich virtuell gestaltet werden. Insofern sollten wir uns in dieser neuen Zeit – und es ist in der Tat eine neue Zeit – auch von der klugen Aussage Winston Churchills leiten lassen, dass es ist sinnlos ist nur zu sagen, wir würden unser Bestes tun. Vielmehr muss es uns gelingen, das zu tun, was erforderlich ist.

Verlernen:

Zwei Dinge sind unendlich: Das Universum und die menschliche Dummheit, aber bei dem Universum bin ich mir noch nicht ganz sicher. Dieser Aussage von Albert Einstein muss man leider weiterhin uneingeschränkt zustimmen. Es ist bezeichnend, dass die Corona-Krise insbesondere in solchen Ländern besonders schlimm wütet und großes menschliches Leid schafft, in denen aktuell Ignoranten bzw. Autokraten an der Macht sind: Insbesondere in Ländern wie den USA, Brasilien oder Russland, um nur einige der negativen Beispiele zu benennen.

Die Menschheit sieht sich gern als den Nabel der Schöpfung, auch weil unser Planenten von ihr dominiert wird. Betrachtet man aber die Situation in den oben genannten Ländern, wäre es vermutlich nicht von Nachteil, wenn lieber die Affen den Zoo regieren würden; denn die Affen benutzen (wie wir auch) Werkzeuge, führen ebenfalls Kriege, haben Freunde und leben in einer Hierarchie bzw. in Gruppen: Insbesondere lösen sie aber (gemeinschaftlich und effektiv) komplizierte Probleme.

Den Homo Sapiens könnte man hingegen als einen parasitäreren Befall (Covid-Mensch) dieser Erde bezeichnen: Kriege, Kriminalität, Genozide, Konzentrationslager, Umweltverschmutzung, Klimawandel, Korruption, verächtlicher Umgang mit Menschen und Tieren, um nur einige negative Beispiele zu nennen. Insofern waren wir bislang leider noch nie die Krone der Schöpfung, sondern sind vielmehr seit Jahrhunderten eher als Totengräber und Barbaren unterwegs. Auch hat unser sicherlich gut gemeinter Anspruch – religiös zu sein vermutlich mehr Menschen das Leben gekostet – als hätte es die Option von Religionen niemals für die Menschheit gegeben.

Wo bleibt das Positive, fragte man Erich Kästner seinerzeit: Ja, weiss der Teufel, wo es bleibt? Das war damals (wie heute) seine zutreffende Antwort. Natürlich ist es gelungen durchaus +Positives zu gestalten: Die wissenschaftlichen, gesundheitlichen oder sozialen Fortschritte sind hinlänglich bekannt und niemand möchte diese heute mehr missen. Aber einen nachhaltigen, partnerschaftlichen und freundlichen Umgang mit dem uns geliehenen Planenten haben wir bis heute leider weder lernen noch realisieren können. Auch erweisen wir uns immer und immer wieder als lern-resistent – was die Lektionen (Lessons Learned) aus unserer eigenen Geschichte betrifft.

Und dann?

Es mangelt wahrlich nicht an klugen Anregungen, wie eine vernünftige und faire Ordnung zu gestalten wäre. Schon Plato sagte rund 400 v. Christus, dass es ein Auge der Seele gibt, durch welches wir in der Lage sind, die Wahrheit zu sehen. Gleichermaßen gilt Kants kategorischer Imperativ, dass unser Handeln stets daran orientiert sein sollte, ob dieses auch zu einem allgemeinen Gesetz erhoben werden könnte. Zur Thematik – Frieden – wurde ebenfalls viel Richtiges gesagt (bspw. von Gandhi), dass es keinen Weg zum Frieden gibt, weil der Frieden selbst der Weg ist.

Dennoch hat man den Eindruck, dass sich unser westliches Konzept der Demokratie aktuell eher in der Defensive befindet. Folglich gilt es diesen Ansatz – denn eine bessere Idee haben wir bislang nicht gefunden – energisch zu verteidigen und fortlaufend zu verbessern. Gemäß Molière sind wir nicht nur verantwortlich für was wir tun, sondern auch für das, was wir nicht tun.

Egal an welcher Stelle in der Gesellschaft wir wirken bzw. persönliche Verantwortung tragen, sollten wir uns deshalb auch von dem Satz leiten lassen: SEI DU SELBST! Alle anderen sind bereits vergeben. Und um im Sinne von Oscar Wilde abzuschließen, es liegt an uns Covid-19 nicht nur als eine Chance zu erkennen, sondern diese Chance auch klug zu nutzen. Insofern kann die aktuelle Corona-Krise durchaus als ein positiver Weckruf verstanden werden.

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