Wechselwirkungen sind der fundamentale Baumeister unserer Welt. Nicht nur im sozialen Leben, sondern auch in der Materie, die uns umgibt. Schon Anfang des 20. Jahrhunderts stellte der Physiker Ernest Rutherford fest, dass selbst Gold zu über 99 Prozent aus Nichts besteht. Erst die Wechselwirkung einzelner Teilchen macht Materie zu dem, was sie ist. Sie sorgt dafür, dass unsere Welt im Innersten zusammenhält.
Dies gilt nicht nur für unsere Alltagswelt, sondern auch für die Welt der Quantenphysik. Um Quanten-Phänomene zu erforschen, setzen Physiker oftmals auf ultrakalte atomare Gase. „Hierbei herrschen Temperaturen um den absoluten Nullpunkt, rund -273 Grad Celsius“, sagt Professor Dr. Herwig Ott, der an der TUK zu ultrakalten Quantengasen und Quantenatomoptik forscht. „Das Verhalten der atomaren Gase wird dabei von der Wechselwirkung zwischen den Atomen bestimmt.“ Experten sprechen in diesem Zusammenhang auch von einem quantenmechanischen Streuprozess. „Für die Wissenschaft sind solche Gase bei der Erforschung von quantenmechanischen Effekten von großer Bedeutung, weil sich diese Wechselwirkungen im Labor verändern lassen“, fährt der Professor fort.
Bei der Materie, die uns im Alltag umgibt, ist das in der Regel nicht der Fall. „Die Wassermoleküle in einem Glas Wasser zum Beispiel haben immer dieselbe Wechselwirkung und die Frage, was wären die Eigenschaften von Wasser, wenn sich die Wassermoleküle doppelt so stark anziehen würden, lässt sich experimentell nicht beantworten“, so der Physiker.
Den Wissenschaftlern um Professor Ott ist es nun erstmals gelungen, die Wechselwirkung zwischen ultrakalten Atomen mit Hilfe sogenannter Rydbergmoleküle zu verändern. Die Idee für den Versuch: Zwei Atome, die zusammenstoßen, werden kurzzeitig mittels eines Laserstrahls in einen Zustand versetzt, der einem Molekül entspricht. „Dadurch verbringen sie eine längere Zeit beieinander“, erläutert der Professor. „Dies verändert den quantenmechanischen Streuprozess zwischen den beiden Atomen und damit auch die Wechselwirkung zwischen ihnen.“
Im Experiment konnten die Kaiserslauterer Forscher dies jetzt beobachten: Dazu haben sie aus zwei Rubidium-Atomen ein Rydbergmolekül „gebaut“. Diese Form der Moleküle wurde erst vor wenigen Jahren entdeckt. Es handelt sich hierbei um Moleküle, die so groß wie Viren sein können, aber nur aus zwei Atomen bestehen. In der Regel sind Moleküle, die aus zwei Atomen bestehen, wesentlich kleiner. Im Gegensatz zu bislang bekannten Bindungen, bei denen sich zum Beispiel zwei Atome jeweils ein Elektron teilen, wirkt hier ein anderer Mechanismus: Ein Elektron weist zum Atomkern nur eine sehr schwache Bindung auf und befindet sich auf einer äußeren Elektronenbahn, es ist in einem sogenannten Rydbergzustand. Das zweite Atom erfährt nun eine quantenmechanische Wechselwirkung mit dem Elektron und es entsteht eine schwache Bindung zwischen den beiden Atomen.
„Diese Moleküle zeichnen sich durch eine Reihe außergewöhnlicher Eigenschaften aus“, sagt der Professor, „wie etwa ihre extrem große Bindungslänge von einigen hundert Nanometern sowie ihre sehr großen elektrischen Dipolmomente.“ Darunter versteht die Wissenschaft die Tatsache, dass Moleküle eine räumlich getrennte positive und negative Ladung besitzen können.
Die Ergebnisse der Kaiserslauterer Wissenschaftler ermöglichen es zum einen, die Wechselwirkung in nahezu jedem ultrakalten Gas zu ändern. Zum anderen eröffnen sie auch neue Anwendungsmöglichkeiten wie die direkte Kontrolle von Mehrteilchenwechselwirkungen. „Aber auch Wechselwirkungen mit längeren Reichweiten als bislang möglich lassen sich so künftig induzieren“, nennt der Physiker als weiteres Beispiel. „Damit könnten in Zukunft neuartige Materiezustände in ultrakalten Gasen realisiert werden.“
Die Studie wurde in der renommierten Fachzeitschrift „Nature Communications“ veröffentlicht: „Experimental realization of a Rydberg optical Feshbach resonance in a quantum many-body system“; O. Thomas, C. Lippe, T. Eichert & H. Ott
DOI: https://doi.org/…
Finanziert wurde die Arbeit durch das Landesforschungszentrum Optik und Materialwissenschaften, kurz OPTIMAS, die Graduiertenschule „Materials science IN MainZ“ (MAINZ) sowie die beiden Sonderforschungsbereiche „Condensed Matter Systems with Variable Many-Body Interactions“ und „OSCAR – Open System Control of Atomic and Photonic Matter“.
Ein Foto des Experiments gibt es unter https://idw-online.de/…. Das Foto darf im Rahmen der Berichterstattung frei verwendet werden. Bitte geben Sie die Quelle an.
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