Patientenrechtegesetz: Aufgepasst bei jungen Patienten

Kommt ein Patient, (be)handelt der Arzt. Bei der Behandlung von Kindern und Jugendlichen ist jedoch vorab die Kernfrage zu klären, wer in die Behandlung einwilligen muss.

Seit 2013 sind die Rechtsbeziehungen durch das Patientenrechtegesetz zwischen Ärzten und Patienten konkretisiert und in das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB) aufgenommen. Hier heißt es: „Vor Durchführung einer medizinischen Maßnahme, insbesondere eines Eingriffs in den Körper oder die Gesundheit, ist der Behandelnde verpflichtet, die Einwilligung des Patienten einzuholen. Ist der Patient einwilligungsunfähig, ist die Einwilligung eines hierzu Berechtigten einzuholen, soweit nicht eine Patientenverfügung nach Paragraph 1901a BGB die Maßnahme gestattet oder untersagt. Weitergehende Anforderungen an die Einwilligung aus anderen Vorschriften bleiben unberührt. Kann eine Einwilligung für eine unaufschiebbare Maßnahme nicht rechtzeitig eingeholt werden, darf sie ohne Einwilligung durchgeführt werden, wenn sie dem mutmaßlichen Willen des Patienten entspricht.“

Wenig konkrete Aussagen
Geregelt ist wenigstens ein Aspekt: Im Notfall darf der Arzt ein minderjähriges Kind oder einen Jugendlichen behandeln – auch ohne Einwilligung. In allen anderen Fällen bleibt die Gesetzesformulierung schwammig, denn der Gesetzgeber hat die Einwilligungsfähigkeit nicht näher definiert. Im Hinblick auf Minderjährige wird daher auf die etablierten Definitionen aus der Rechtsprechung zurückgegriffen: „Das Einsichtsvermögen und die Urteilsfähigkeit des Patienten müssen ausreichen, um die vorherige Aufklärung zu verstehen, den Nutzen einer Behandlung gegen deren Risiken abzuwägen, um schließlich eine eigenverantwortliche Entscheidung zu treffen.“

Einwilligungsfähigkeit prüfen
Ist der Patient bereits zwischen 14 und 18 Jahre alt, hat der behandelnde Arzt die persönliche Reife des minderjährigen Patienten eigenverantwortlich zu beurteilen. Sofern eine ausreichende Urteilsfähigkeit angenommen werden kann, dass der junge Patient die Diagnose, Behandlung und deren Tragweite versteht, ist von einer rechtmäßigen Zustimmung auszugehen. Bestehen jedoch Restzweifel, kann der behandelnde Mediziner schnell in ein Dilemma geraten: Wird die Behandlung abgelehnt, ohne mit den Erziehungsberechtigten Rücksprache gehalten zu haben, und kommt es zu einem Schaden, drohen empfindliche berufsrechtliche Konsequenzen. Werden die Erziehungsberechtigten jedoch gegen den Willen des minderjährigen Patienten informiert, kann dies einen Verstoß gegen die ärztliche Schweigepflicht bedeuten – mit den daraus folgenden Konsequenzen.

Zustimmung zur Behandlung einholen
Auch wenn der Gesetzgeber keine konkreten Vorgaben macht, bis zu welchem oder ab welchem Alter Kinder und Jugendliche selbst entscheiden und in die Behandlung einwilligen können, ist es empfehlenswert, bei Kindern unter 14 Jahren generell die Zustimmung der Eltern oder des Sorgeberechtigten einzuholen. Erscheint nur ein Elternteil mit dem Kind beim Arzt – was in der Praxis die Regel ist –, darf der Behandelnde in Ausnahmefällen darauf vertrauen, dass der abwesende Elternteil sein Einverständnis gegeben hat. Das Oberlandesgericht Hamm hat in einem Urteil die Ausnahmefälle und die Anforderungen an die Einwilligung der Eltern in die ärztliche Behandlung ihrer Kinder konkretisiert (Aktenzeichen 26 U 1/15).

Ausnahmefall 1
Bei Routinefällen wie Blutentnahme oder Impfung, darf der Arzt davon ausgehen – bis entgegenstehende Anhaltspunkte vorliegen –, dass der mit dem Kind erschienene Elternteil die Einwilligung in die ärztliche Behandlung für den anderen Elternteil miterteilen darf.

Ausnahmefall 2
Geht es um einen ärztlichen Eingriff, der nicht unbedeutende Risiken birgt, muss sich der Arzt erkundigen, ob der erschienene Elternteil die Ermächtigung des Partners hat und wie weit die Zustimmung reicht. Er muss also aktiv nachfragen. Er darf allerdings davon ausgehen, dass ihm die Begleitung des Kindes eine wahrheitsgemäße Auskunft gibt. Nachforschungen anstellen, ob er angelogen wurde oder nicht, muss er nicht. Auch hier gilt: Treten Ungereimtheiten oder Anhaltspunkte auf, dass der abwesende Elternteil nicht einverstanden sein könnte, muss der Arzt die Behandlung aussetzen.

Ausnahmefall 3
Liegt eine schwierige und weitreichende Entscheidung über die Behandlung vor, die mit erheblichen Risiken für das Kind verbunden ist, kann der Arzt nicht automatisch von der Zustimmung des abwesenden Elternteils ausgehen. In diesen Fällen muss sich der Arzt vergewissern, dass dieser mit der Behandlung einverstanden ist. In der Praxis werden Ärzte nicht darum herumkommen, von beiden Eltern eine schriftliche Zustimmung zur Behandlung einzufordern.

Tipp: Für Zweifelsfälle dokumentieren
Halten Sie schriftlich immer genau fest, welche Auskünfte Ihnen der erschienene Elternteil in Bezug auf das Einverständnis des nicht anwesenden Partners gibt. Im Haftungsfall lässt sich so Ihre Handlungsweise besser nachvollziehen.

Benjamin Ruhlmann , MBA-HSG, Rechtsanwalt bei Ecovis in München

Daniela Groove, Rechtsanwältin bei Ecovis in München

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